NABU-Vogelexperte Lars Lachmann im Interview
Fangnetze auf 700 Kilometer Länge und skrupellose Freizeitschützen lassen die
Mittelmeerküste Ägyptens zu einer immer schwerer zu überwindenden Barriere für
Zugvögel werden. Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren in einem
Umfang verschärft, dass NABU-Vogelexperte Lars Lachmann die Bestände einiger
Arten gefährdet sieht.
Bereits zu Zeiten der Pharaonen wurden in Ägypten Zugvögel gefangen. Warum sollte man gerade jetzt etwas dagegen unternehmen?
Die Fangmethoden haben sich seit der Zeit der Pharaonen grundlegend geändert:
Aus Pfeil und Bogen sind Schusswaffen mit hoher Präzision und Reichweite
geworden und aus vereinzelten Fangnetzen eine kaum überwindbare Barriere entlang
fast der gesamten Mittelmeerküste Ägyptens. Und das ist der Kern des Problems:
Während den vergleichsweise wenigen Jägern früher nur geringe Mengen von Tieren
ins Netz gingen, hat der Vogelfang mittlerweile eine Dimension erreicht, die
nicht mehr vertretbar ist. Und die Entwicklung der Fangmethoden bleibt nicht
stehen: Ohne Regulierung steht zu befürchten, dass bald kaum ein Vogel mehr
seinen Häschern entkommt. Übrigens steigt auch deren Zahl rapide, da man auf
diese Weise schnelles Geld verdienen kann.
Welche Arten sind vom Vogelfang in Ägypten am meisten betroffen?
Es gibt viele Vogelarten, deren Bestände vom europäischen Festland aus
komplett nach Südosten ziehen, zum Beispiel Neuntöter, Sumpfrohrsänger oder
Gelbspötter. Diese Arten sind besonders gefährdet. Natürlich werden nicht nur
deutsche Vögel gefangen, sondern auch solche aus östlichen EU-Mitgliedstaaten
und anderen Staaten Osteuropas. Hauptzielarten der Wilderer in Ägypten sind
Wachteln und Turteltauben. Diese werden gefangen oder geschossen. Allerdings
nehmen die Fänger auch alles andere, was ihnen in die Netze fliegt, gerne mit.
Besonders häufig werden Neuntöter, Nachtigallen und verschiedene Grasmücken
gefangen.
Muss man sich um die Bestände der betroffenen Vögel Sorgen machen?
Auf jeden Fall. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es bei vielen Vogelarten
angesichts der schieren Masse getöteter Vögel einen negativen Einfluss auf die
Brutbestände in Deutschland und anderen Staaten Europas gibt. Natürlich können
Arten, die bei uns keine Probleme haben und ausreichend geeignete Lebensräume
zum Brüten vorfinden, solche massiven Verluste eher kompensieren. So würde ich
hoffen, dass die Bestände von Mönchsgrasmücke oder Zilpzalp trotzdem nicht
abnehmen. Aber die Mehrheit unserer Vogelarten hat schon bei uns mit
Lebensraumverlust, intensiver Land- und Forstwirtschaft oder den Auswirkungen
des Klimawandels zu kämpfen, zum Beispiel Fitis, Nachtigall, Steinschmätzer oder
Ziegenmelker. Diese Arten können dem massiven Fang dann nichts mehr
entgegensetzen und werden noch stärker zurückgehen.
Verstoßen die Vogeljäger gegen geltendes Recht?
Der Großteil der Jagd, wie sie derzeit durchgeführt wird, ist nach
ägyptischen Gesetzen illegal, damit Wilderei. So gibt es Regeln für
Mindestabstände zwischen Fangnetzen und maximale Netzhöhen. Diese werden aber
nicht eingehalten, sonst könnte es ja nicht dieses durchgängige Netz entlang der
Küste geben. Ägypten hat zudem zahlreiche internationale Konventionen zum Natur-
und Vogelschutz unterzeichnet, die laut ägyptischer Verfassung unmittelbar
national zu gelten hätten. Verstöße dagegen werden in der Praxis jedoch nicht
geahndet.
Darüber hinaus fehlt es in Ägypten an klaren Regelungen für eine legale Jagd, Zuständigkeiten sind unklar und eine Durchsetzung der bestehenden Regelungen findet fast überhaupt nicht statt. Hier gibt es bereits gute Vorschläge ägyptischer Experten, allerdings fehlte bisher der politische Wille, diese aufzugreifen und in Gesetzesform zu bringen. Internationaler Druck und Hilfsangebote können das vielleicht ändern.
Darüber hinaus fehlt es in Ägypten an klaren Regelungen für eine legale Jagd, Zuständigkeiten sind unklar und eine Durchsetzung der bestehenden Regelungen findet fast überhaupt nicht statt. Hier gibt es bereits gute Vorschläge ägyptischer Experten, allerdings fehlte bisher der politische Wille, diese aufzugreifen und in Gesetzesform zu bringen. Internationaler Druck und Hilfsangebote können das vielleicht ändern.
Wie erklärst Du Dir die plötzliche Zunahme des Vogelfangs in Ägypten?
Zwischen 2008 und 2010 wurde von Vogelschützern vor Ort eine leichte
Entspannung der Situation der beobachtet. Wir führen dies auf das Auftreten der
Vogelgrippe zurück und die Furcht der Jäger, sich mit dem Erreger zu infizieren.
2011 ist die Lage dann leider komplett aus den Fugen geraten. Dies hing
vermutlich mit dem geringen Preis und der guten Verfügbarkeit chinesischer
Fangnetze zusammen, die ab diesem Zeitpunkt großflächig Anwendung fanden. Hinzu
kam der „arabische Frühling“, der parallel dazu zu einer Schwächung der
Ordnungsmacht und zu einer wirtschaftlichen Krise führte.
Kann man den Menschen verübeln, wenn Sie aus Hunger oder Arbeitslosigkeit zu Wilderern werden?
Die zentralen Akteure des Vogelmordes in Ägypten sind nicht hungerleidende
Menschen, sondern skrupellose Geschäftemacher und Freizeitjäger. Gleichwohl
rufen wir nicht zu einem Tourismusboykott oder Ähnlichem auf, was die
wirtschaftliche Situation der Menschen vor Ort zusätzlich verschlechtern würde.
Stattdessen wollen wir mit einer Petition
Druck auf die verantwortlichen Stellen ausüben, die Einhaltung geltender Gesetze
und Abkommen durchzusetzen. Darüber hinaus wollen wir mit einer Spendenkampagne
den Vogelschutz in Ägypten fördern, um die Menschen über die fatalen
Konsequenzen ihres Handelns zu informieren und den Jägern Alternativen zur
Vogeljagd aufzuzeigen: Sie müssen begreifen, dass lebende Vögel mehr wert sind
als tote.
Im Moment klagen bereits die Vogelfänger selber, dass sie immer mehr Aufwand betreiben müssen, um die Vögel zu fangen, weil es weniger werden. Das ist nicht nachhaltig. Auf diese Weise können wilde Vögel bald gar nicht mehr zur Nahrungsversorgung bedürftiger Menschen beitragen. Hier bedarf es passender Regeln, die den wirklich Bedürftigen in begrenztem Umfang Jagd erlaubt, aber die kommerziellen Auswüchse beseitigt.
Im Moment klagen bereits die Vogelfänger selber, dass sie immer mehr Aufwand betreiben müssen, um die Vögel zu fangen, weil es weniger werden. Das ist nicht nachhaltig. Auf diese Weise können wilde Vögel bald gar nicht mehr zur Nahrungsversorgung bedürftiger Menschen beitragen. Hier bedarf es passender Regeln, die den wirklich Bedürftigen in begrenztem Umfang Jagd erlaubt, aber die kommerziellen Auswüchse beseitigt.
Was wird der NABU noch unternehmen, um den Vogelmord zu stoppen?
Neben Petition und Spendenkampagne werden wir auch international, über
Regierungen und UNO-Konventionen Einfluss auf Ägypten nehmen. Dabei helfen uns
unsere Verbindungen aus dem Netzwerk von BirdLife International.
Vor Ort
werden wir die Arbeit unserer BirdLife Partnerorganisation „Nature Conservation
Egypt“ (NCE) unterstützen. Unser erstes Ziel lautet hier, ein kontinuierliches
Monitoring des Vogelfangs am Mittelmeer zu gewährleisten, denn ohne belastbare
Zahlen ist es kaum möglich, die Missstände wirksam zu bekämpfen. Auch durch
Lobbyarbeit werden wir Einfluss nehmen. Konkret wollen wir dafür sorgen, dass
bestehende Vorschriften durchgesetzt werden, und das Jagdgesetz dahingehend
geändert wird, dass Fangmethoden, Fangquoten und -lizenzen im Sinne einer
nachhaltigen Jagd festgelegt werden.
Zusätzlich fordern wir die
Bundesregierung dazu auf, Maßnahmen zur Vermeidung des Vogelmords in Ägypten zu
einem Förderschwerpunkt deutscher Institutionen im Land zu machen. Wir planen
mit NCE Projekte vor Ort zur Umweltbildung und zu alternativen
Einkommensmöglichkeiten zu entwickeln und durchzuführen.
Von: NABU
Link:
Link:
http://www.nabu.de/tiereundpflanzen/voegel/zugvoegel/jagd/aegypten/15715.html
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